Menschen wegsperren statt Probleme lösen – Ausbau der Ingewahrsamnahme in NRW

Im Entwurf des neuen Polizeigesetzes von NRW werden die Möglichkeiten zur polizeilichen Ingewahrsamnahme drastisch ausgebaut. Der Begriff Ingewahrsamnahme beschreibt, wenn die Polizei Personen aus präventiven Gründen einsperrt, normalerweise auf der nächsten Polizeiwache. Ein klassisches Beispiel dafür ist, dass es der Polizei erlaubt ist, Menschen einzusperren, wenn sie in einem hilflosen Zustand (z.B. volltrunken) sind. Es ist aber auch möglich, Menschen einzusperren, wenn die Polizei befürchtet diese könnten Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten von erheblicher Bedeutung begehen.

Diese Vorschriften sollen jetzt laut dem Entwurf ergänzt werden um die Möglichkeiten der Ingewahrsamnahme in Fällen einer „drohenden Gefahr“ oder „drohenden terroristischen Gefahr“ sowie eines Verstoßes gegen eine Aufenthaltsanordnung oder ein Kontaktverbot. Das senkt die Eingriffsschwelle der Polizei, denn bei einer drohenden Gefahr reicht es, wenn die Polizei einen Verdacht hat, das heißt „bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass die Person innerhalb absehbaren Zeitraums auf eine zumindest ihrer Art nach konkretisierte Weise eine Straftat von erheblicher Bedeutung begehen wird„. Bisher durfte sie Menschen bei befürchteten Straftaten nur in Gewahrsam nehmen, wenn „das unerlässlich ist, um die unmittelbar bevorstehende Begehung oder Fortsetzung einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit von erheblicher Bedeutung für die Allgemeinheit zu verhindern„, die Straftat musste also tatsächlich direkt erwartet werden und es mussten Beweise, nicht nur Vermutungen vorliegen. Damit wird der Polizei eine zusätzliche Möglichkeit gegeben, unliebsame Menschen auf bloßen Verdacht hin wegzusperren.

Zusätzlich wird die Dauer des möglichen Gewahrsams deutlich ausgeweitet. So ist es nach dem Entwurf des neuen Polizeigesetzes möglich eine Person zur Gefahrenabwehr bis zu 7 Tage einzusperren, bei der drohenden Gefahr terroristischer Straftaten sogar bis zu einem Monat – und all das auf bloßen Verdacht hin. Auch bei Verstößen gegen Kontaktverbote oder Aufenthaltsanordnungen ist ein Gewahrsam bis zu einem Monat möglich. Alles in Fällen, in denen keine Verdachtsmomente vorliegen, überhaupt Straftaten begangen zu haben.

Auch historisch ist die Entwicklung spannend. Bei den Nazis war es üblich, Menschen in „Schutzhaft“ zu nehmen um sie von der Begehung von Straftaten (oder anderen unliebsamen Aktionen) abzuhalten. Das wurde von den Allierten als typisch nationalsozialistisches Unrecht abgeschafft. Dann galt lange Jahre, dass Menschen, wenn es keine ausreichenden Verdachtsmomente für eine Untersuchungshaft gab, spätestens nach 48 Stunden frei gelassen werden mussten. Im Vorfeld der erwarteten Proteste gegen den G8-Gipfel in Heiligendamm wurden die Zeiten für Ingewahrsamnahmen in verschiedenen Bundesländern bereits drastisch ausgeweitet, teilweise auf bis zu zwei Wochen (in NRW allerdings nicht). Nach den neuen geplanten Polizeigesetzen wurde und wird in verschiedenen Bundesländern noch einmal eine Verschärfung vorgenommen – am drastischsten in Bayern, wo es nun möglich ist Menschen die nie eine Straftat begangen haben unbegrenzt einzusperren. Aber auch ein Monat wie in NRW ist eine ziemlich drastische Einschränkung der Grundrechte – und wer kann mal eben einen Monat bei der Arbeit oder zu Hause fehlen? An der Möglichkeit Menschen lange einzusperren, ändert auch der Fakt, dass bei jedem Gewahrsam innerhalb von 48 Stunden eine gerichtliche Entscheidung über die Fortdauer des Gewahrsams erfolgen muss.

Hinzu kommt die Verlängerung der Gewahrsamsfrist für die Feststellung der Identität auf bis zu 7 Tagen (sie lag bisher bei 12 Stunden). Diese Maßnahme richtet sich direkt gegen die Klimabewegung, in der die Identitätsverweigerung eine Praxis gegen die Konzernmacht von RWE ist. Widerstand gegen den Braunkohleabbau soll hier mit polizeilichen Mitteln bestraft werden statt eine Lösung für die drängenden klimapolitischen Probleme zu finden.

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