Nichts zu befürchten?

Die Entwürfe neuer Polizeigesetze verschiedener Bundesländer regeln immer weitergehende Überwachung von Post, E-Mails, Messengern, Telefonen genauso wie Platzverweise, Kontaktverbote, Meldeauflagen oder gar elektronische Fußfesseln. Von den Allierten nach dem zweiten Weltkrieg noch als typisch nationalsozialistisches Unrecht außer Kraft gesetzt gehört der Unterbindungsgewahrsam seit Jahren zu einem Mittel der polizeilichen Praxis. Die neuen Polizeigesetze weiten ihn aus. Die ohnehin in der Praxis nur selten erkennbare „Unschuldsvermutung“ wird immer weiter unterhöhlt und abgeschafft, woran auch die gebetsmühlenartige Betonung „die BRD sei ein demokratischer Rechtsstaat“ nichts ändert.

Die formale Logik der Gewaltenteilung, also der Trennung von judikativer und exekutiver Gewalt passt nicht zu einer Polizei, die ad hoc und v.a. nach eigenem Ermessen strafen soll. Wenn der Wille zu strafen im Mittelpunkt steht und der Gerichtsweg jedoch absehbar langwierig wäre, wird die Verlockung größer und größer immer mehr und härtere Bestrafung „präventiv“ also im Zuständigkeitsbereich der Polizei durchzuführen.

Normierung und Gehorsam sind das Ziel all dieser Maßnahmen, die ganz im Zeichen der Zeit als „Anti-Terror-Maßnahmen“ verkauft werden. Wer nun meint, wer nichts zu verbergen habe, habe auch nichts zu befürchten, irrt sich aus mehreren Gründen:

Überwachung verändert unser Verhalten. Selbst wenn wir nichts verbotenes oder eventuell kriminalisierbares tun, verändert das Wissen um permanente Überwachung die Art wie wir uns darstellen, miteinander reden und was wir uns trauen zu tun.

Veränderungen werden oft aus gesellschaftlichen Rändern angestoßen. Eine Welt voller offensichtlicher Ungerechtigkeiten ist nichts, was sich zu erhalten lohnt. Krampfhaft und mit einem sich immer weiter in unser aller Privatleben einmischenden Sicherheitswahn diesen Status quo aufrechtzuerhalten ist nichts erstrebenswertes. Anstöße für grundlegende Veränderung werden durch Normierungsdruck und Androhung von Repression im Keim erstickt.

Die Verteidigung von Privatsphäre ist keine versponnene Idee einiger weniger Krimineller, sondern notwendige Grundlage der freien Entfaltung jedes menschlichen Individuums. Wenn es uns nicht gelingt, das begreifbar zu machen, ist das ein trauriges und bitteres Zeichen, wie wenig Bezug Menschen zu sich und dem in ihnen steckenden Potential haben.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.